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Fachartikel


Vom konkreten Nutzen, den Supervision und Coaching im Bereich der Wissenschaften haben kann
von Dr. Ursula Lengauer
Den Nutzen, den Supervision und Coaching im Bereich der Wissenschaften haben kann, für Einzelpersonen ebenso wie für Teams auf Universitäten, in Forschungseinrichtungen und -projekten, möchte ich hier – meiner Erfahrung folgend – beschreiben:

Supervision bietet für die Einzelperson einen Raum, in dem die Ruhe für Metareflexion entsteht. Wo Fragen gestellt werden können: Wie arbeite ich? Was verbindet mich mit meinem Thema? Was ist meine Position im Team mit diesem Thema? Welche Rolle spiele ich schon allein durch mein persönliches Sosein in bestimmten Gruppenkonstellationen? Und was bedeutet all dies für meine Arbeitszufriedenheit, für meinen Erfolg, für meine Lebensqualität?

Für Teams öffnet Supervision den Raum für Austausch von Anerkennung und Kritik, für die Reflexion von Interaktions- und Konfliktmustern, für Rollenklärung und Entwicklung eines gemeinsamen Arbeitsstils, nicht zuletzt für Entlastung von drückenden Umständen, auf die das Team keinen Einfluss hat.

Coaching hingegen ist weniger reflexiv und metaebenenorientiert. Coaching unterstützt Aktion, fragt: Was will ich? Wohin will ich? Wann will ich dort sein? Wie soll ich es anstellen, meine Ziele zu erreichen? Was tue ich, um gesund zu bleiben? Was sollte ich dazulernen, um mit den Anforderungen des Erfolges zurechtzukommen?

Damit wird mein Zugang zu Coaching als Tool zur Entwicklung einer für das Individuum zufriedenstellenden Berufslaufbahn in der Wissenschaft deutlich. Die Orientierung auf Karrierestrategie und Planung kann im Coachingprozess verortet werden und lässt so der Forscherin und dem Wissenschaftler Raum, im Arbeitsalltag vor allem an das Fachgebiet zu denken.
Wissenschaftskarriere heißt im heutigen Wissenschaftsbetrieb zunächst „Publizieren“. Hier kann Coaching helfen, zu klären wo und wie „fachgerecht“ publiziert werden kann und muss. Bei welchen Forschungsvorhaben und Projekten eine Mitarbeit publikationswirksam werden wird, wie dieses Engagement mit dem eigenen Forschungsinteresse korreliert. In diesem Bereich bewährt sich Coaching auch zur Bewältigung von Arbeitshindernissen, wie Schreibhemmung, Prüfungsangst, Redehemmung vor Publikum etc.

Im Universitätskontext kann Coaching für Studierende wie für Lehrende von der Institution selber bereitgestellt werden – für die Studierenden in Form einer Lehrveranstaltung, für Lehrende als Maßnahme der Personalentwicklung. Im Bereich der Forschungsprojekte, universitär wie außeruniversitär ist es wichtig, Beratungsleistung im Budget zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß erspart eine durchlaufende Supervision viel Zeit und Geld, das im Forschungsvorhaben wesentlich besser investiert ist als in aufreibender weil unbewusster Gruppendynamik im Forschungsteam. Ebenso ist Coaching und Beratung in manchen Bereichen wie Projektmanagement, Fundraising, dem Verfassen von Projektanträgen und der Kooperation mit den Geldgebern nützlich und zeitsparend. Coaching ist hier Hilfe bei Planung und Durchführung von Forschungsprojekten.
Wenn ein Projekt dann genehmigt ist, gibt es meistens schon ein Team, das auf Verdacht jede Menge informeller Vorleistung erbracht hat. An dieser Stelle kommt Supervision als Begleitung von Teamarbeit ins Spiel. Die Beziehungen der Mitglieder untereinander zu reflektieren, Raum für gegenseitige Wertschätzung zu schaffen, Konflikte sichtbar und damit regelbar zu machen, das kann Teamsupervision leisten. Damit entsteht nach meinem Zugang ein Raum zur Entlastung von den Mühen des Alltags, wo das Fachliche vom Menschlichen sortiert werden kann. Dies ist der gesicherte Rahmen eines fortlaufenden Prozesses, in dem sich Beziehungen dadurch entwickeln können, dass Emotionen angesprochen werden. Jemand von außen – die Supervisorin, der Coach – achtet darauf, dass die Dinge in den Fokus geraten, die üblicherweise übersehen werden, weil sie vielleicht scheinbar nicht zur Sache gehören. Das gewährleistet im besten Fall ein konstruktives, zielorientiertes Teamarbeiten, in dem Konkurrenz nicht tabuisiert wird und der Nutzen für den Einzelnen sich ins Team einzubringen immer wieder deutlich gemacht wird. Externe Moderation von Arbeits- und Teamprozessen in Forschungsprojekten kann damit viel Reibungsverluste ersparen, weil üblicherweise die Beziehungsfragen sich gerne hinter scheinbaren Fachfragen verbergen. Wenn diese Verschiebung nicht sichtbar gemacht wird, kann damit der Fortgang eines gesamten Projekts gehemmt oder verunmöglicht werden. Das kann sich niemand leisten. Supervision ist billiger.

Leiterinnen und Leiter von Projekten kommen in ihre mannigfachen Rollen oft in Konflikte, die viel Kraft kosten. Leitungscoaching bewährt sich hier als Hilfestellung, diese Rollen immer wieder zu benennen und in die Persönlichkeit zu integrieren. Denn durch die Projektstruktur ist ein modernes Wissenschaftsleben ab einem gewissen Erfolg oft genug ein Leben mit multiplen Leitungsaufgaben im strategischen und operativen Bereich. Dies rechtzeitig zu erkennen und sich die nötigen Tools zeitsparend anzueignen, ist überlebenswichtig. Hier geht es um Ressourcenmanagement auf allen Ebenen.

Zunehmend ist es die Aufgabe der Lehrenden und Forschenden selbst das Geld für ihre Vorhaben zu akquirieren. Das heißt, sie müssen sich wie Unternehmer um die Finanzierung und Abwicklung ihrer Projekte bemühen. Hierin gibt es viel Überforderung, die durch Coaching wesentlich abgebaut werden kann. Das nötige Knowhow zum effizienten Delegieren solcher unternehmerischer Aufgaben, oder auch die Entwicklung und freudige Umsetzung eigener Talente auf diesem Gebiet sind hier Gegenstand der beratenden Begleitung. In diesem wie in allen anderen Feldern ist Coaching insofern auch das „richtige“ Instrument, weil es, zumindest in meinem Ansatz, die Motivation stützt, und hilft das Ziel im Auge zu behalten. Eigenmarketing und Öffentlichkeitsarbeit werden in Zeiten, wo sich die Wissenschaften selber um die Finanzierung ihrer Forschungsvorhaben kümmern müssen, immer wichtiger. Daher kommt in der eigenen Karriere auch dem „Branding“ der eigenen Forschungstätigkeit, der Imagebildung der eigenen Person, des Forschungs- oder Projektteams und der Darstellung der eigenen Tätigkeit nach außen buchstäblich existentielle Bedeutung zu. Hier gibt es für alle, die vom Temperament her wenig „bühnenorientiert“ sind, große und mit persönlichen Herausforderungen verbundene Lernfelder, die im Coaching in bewältigbare Schritte gegliedert und individuell angemessen gemeistert werden können.
Die Bedeutung von Networking, Mentoring, Sponsoring, Lobbying im Bereich der Wissenschaften ist noch nicht so sehr ins Bewusstsein getreten, obwohl es diese Dinge unter anderer Bezeichnung natürlich immer schon gibt. Heutzutage ist es jedoch, da nicht jede und jeder die alten Vereinigungen und Bünde nützen kann und möchte, sehr wichtig sich in diese Netze selber einzubringen, neue zu knüpfen und auf der Klaviatur der menschlichen Kooperationsbeziehungen möglichst gut und vergnügt spielen zu lernen.
Schließlich kann Coaching, weil es nach meinem Ansatz die gesamte Persönlichkeit im Rahmen aller ihrer „Umwelten“ einbezieht, einen wichtigen Beitrag zum zur Karriere passenden Lebensstil (Work-Life-Balance) leisten. Hier entsteht ein Raum der Selbstwahrnehmung, eigene Bedürfnisse werden konkretisiert, Ansprüche eines funktionierenden Privatlebens gegen jene einer funktionierenden Karriere abgewogen und Zeitpläne erstellt, die Lebensphasen berücksichtigen, die vielleicht noch in weiter Ferne zu liegen scheinen.

Coaching ist damit auch Bewältigungshilfe für die Change-Prozesse im Privatleben. Moderne Karrieren, die sichtbar werden, verlangen hohe Mobilität in kleinem und großem Zeitausmaß: Präsenz auf Symposien, Forschungsstipendien an anderen Forschungseinrichtungen, Lehraufträge im Ausland gehören zum Design einer international erfolgreichen Wissenschaftskarriere. Diese Anforderungen als persönliche Bereicherung und nicht als Belastung zu erleben, verlangt eine hohe Kompetenz der Selbstorganisation. Wie kann ein „Commuting Couple“ seine Beziehung aufrechterhalten? Welche Weichen müssen gestellt werden, wenn eine Familie immer zusammenleben will? Solche und ähnliche Fragen werden oft „notgedrungen“, „irgendwie“ schnell entschieden. Erfolgversprechender und nachhaltiger sind diese Entscheidungen, wenn sie die Folge vorausschauender Selbstreflexion sind, die im Prozess von Coaching und Supervision entsteht, und auch erlernt und in die Selbstmanagementkompetenz integriert wird.
Damit habe ich die Vorteile umrissen, die aus meiner Erfahrung Coaching und Supervision in die Karrieren von WissenschafterInnen bringt.

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