Die meisten von uns halten sich nicht für gewalttätig; ganz im Gegenteil wir sind sogar für eine gewaltfreie Welt. Wir wollen keinen Kampf, keinen Krieg.
Also, was soll das mit der gewaltfreien Kommunikation (GFK)?
Vielleicht können wir allerdings unterscheiden zwischen aktiver und passiver Gewalt?
Aktive Gewalt sehen wir, womöglich mussten wir sie sogar spüren.
Wie ist das nun mit der passiven Gewalt? Mit unseren Worten, die verletzen können, die in jemandem Ärger, Frustration auslösen können. Wie ist es mit unseren Schuldzuweisungen, mit unserer Verantwortung für unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen?
Wir können sorgfältig mit der Wahl unserer Wörter umgehen oder nicht. Wir können uns unserer Gefühle und Bedürfnisse bewusst werden, oder nicht. Wir können andere bewerten und verurteilen; oder deren Handlungen, Aussagen einfach nur beobachten und schauen was das mit UNS macht. Und wir können selbst entscheiden, was wir DANN machen.
Und genau darum geht es – wir entscheiden ständig darüber ob die Welt ein bisschen gewaltvoller oder gewaltfreier wird.
In der gewaltfreien Kommunikation geht es in erster Linie um das bewusste Erkennen unserer eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Und um Empathie für unser Gegenüber – denn auch er/sie hat Bedürfnisse und Gefühle.
Die GFK und deren Haltung hat in ihrem Ansatz Ähnlichkeit mit Schulz von Thun, der die Struktur einer Nachricht in Sach- Beziehungs- Selbstoffenbarungs- und Appellaspekte gliederte. (Nachzulesen in „Miteinander reden“)
Marshall B. Rosenberg hat zusätzlich ein 4-Schritte-Modell entwickelt auf das wir uns am Anfang stützen können, um unsere sprachlichen Fähigkeiten und unsere Bewusstheit zu schulen.
Die GFK hilft uns bei der Umgestaltung unseres sprachlichen Ausdrucks und unserer Art zuzuhören. Wir lernen in Situationen zu erkennen, was wir konkret brauchen - und es klar auszusprechen. Wir diagnostizieren und beurteilen nicht mehr, sondern wir erkennen was wir brauchen und lernen darum zu bitten, dass wir unsere Bedürfnisse auch erfüllt bekommen.
Die 4 Schritte zu einer geglückten Kommunikation:
1. Schritt: Beobachten ohne zu bewerten:
Was ist passiert? Das klingt einfach. Tatsächlich vermischen wir häufig unsere Beobachtungen mit Interpretationen.
Es ist ein Unterschied, ob ich sage: „Wir hatten vereinbart, dass du mich am Montag anrufst. Ich habe keinen Anruf von dir erhalten.“
Oder: „Gestern hast du vergessen mich anzurufen.“
2. Schritt: Gefühle in Bezug auf die Beobachtung ausdrücken.
Es ist ein Unterschied, ob ich sage, ich fühle mich zurückgewiesen, oder ich bin frustriert.
Denn frustriert ist mein ureigenes Gefühl.
3. Schritt: Unsere Bedürfnisse hinter unseren Gefühlen erkennen.
Was ist das Bedürfnis hinter der Frustration?
Vermutlich ist bei meinem Beispiel das Bedürfnis: Verlässlichkeit
4. Schritt: Eine konkrete Bitte aussprechen:
Wir bitten unseren Gesprächspartner um Bereitschaft für Veränderung. Wir fordern nicht, sondern wir bitten. Denn eine Bitte ermöglicht ein Nein – eine Forderung tut das nicht.
z.B. „Ich bitte dich in Zukunft, wenn es dir nicht möglich ist zu telefonieren, ein sms zu schicken.“
Erkennen Sie den Unterschied?
„Du bist total unzuverlässlich, weil du gestern nicht angerufen hast, obwohl wir das vereinbart hatten“
Oder:
„Wir hatten vereinbart, dass du mich am Montag anrufst. Ich habe keinen Anruf von dir erhalten. Ich bin frustriert, weil mir Verlässlichkeit wichtig ist. Könntest du bitte in Zukunft, wenn es dir nicht möglich ist zu telefonieren, ein sms schicken?“
Das Bedürfnis nach Verlässlichkeit in meinem Beispiel ist mein ureigenes Bedürfnis.
Es könnte auch anders sein: Nämlich, dass ich froh bin keinen Anruf erhalten zu haben,
weil ich keine Zeit hatte für ein Telefongespräch,
den Termin hätte noch nicht zusagen können, der daraus erfolgt wäre,
einen Tag für mich alleine ungestört genießen wollte…..
…..und da hätte ich ganz andere Gefühle und Bedürfnisse!!!
Es ist gar nicht so einfach unsere Gefühle auszudrücken und uns unserer Bedürfnisse bewusst zu werden. In unserem Kulturkreis haben wir das eher nicht gelernt.
Und es ist doch viel einfacher, dem Anderen die Schuld zu geben……..
Aber was ist nun, wenn unser GesprächspartnerIn gereizt reagiert? Dessen Reaktion können wir nicht steuern.
Wir können die vier Komponenten der GFK auch auf andere Menschen anwenden. Wir können hören, was andere beobachten, fühlen, brauchen und erbitten. Das heißt, wir sind empathisch gegenüber dem anderen.
Bleiben wir bei meinem Beispiel. Angenommen unser Gegenüber reagiert folgendermaßen:
„Was willst du denn, ich habe mich ja heute gemeldet – ich hatte ganz einfach keine Zeit“
Jetzt habe ich die Wahl. Reagiere ich nun eventuell beleidigt…..oder empathisch.
Erkennen Sie den Unterschied?
„Auf dich kann ich mich ja nie wirklich verlassen. Ich mache mir gar nichts mehr aus mit dir“
Oder:
„Bist du enttäuscht, weil du Verständnis für deine Situation brauchst?“
„Bist du ungeduldig, weil dir Gelassenheit wichtig ist?“
Unser Gegenüber wird uns dann antworten. Vielleicht haben wir nicht sofort seine/ihre Gefühle erraten – wir haben allerdings jetzt die Chance, dass er/sie uns seine/ihre Bedürfnisse und Gefühle mitteilt. Und erst jetzt ist es möglich, verständnisvoll und authentisch miteinander zu kommunizieren.
Erst jetzt sind wir GesprächspartnerInnen und keine GesprächsgegnerInnen mehr.
Empathie schafft Verbindung und ermöglicht, dass unsere Bedürfnisse erfüllt werden. Denn erst wenn ehrliches, echtes Interesse am anderen besteht, kann auch er/sie sich öffnen und mir zuhören.
Fazit:
Gewaltfreie Kommunikation hilft bei der Umgestaltung des sprachlichen Ausdrucks und der Art zuzuhören.
Aus gewohnheitsmäßigen, automatischen Reaktionen werden durch die GFK bewusste Antworten die sich darauf stützen, was man wahrnimmt, fühlt und braucht. Die GFK trainiert sorgfältig zu beobachten und die Umstände und Verhaltensweisen, die uns stören genau zu bestimmen. Das Anwenden der GFK lenkt die Aufmerksamkeit in eine Richtung, in der die Wahrscheinlichkeit steigt, dem erwünschten Ziel näher zu kommen.
Weniger bewerten und diagnostizieren, statt dessen "nur" Beobachtungen zu kommunizieren und gleichzeitig einen Wunsch zu äußern, führt dazu, dass der Gesprächspartner/die Gesprächspartnerin diesem Wunsch leichter nachkommen kann, da er/sie nicht mehr damit beschäftigt ist sich zu verteidigen.
Entscheidend dazu sind unsere Sprache und der Gebrauch von Wörtern. Der "Gesprächs-Gegner"/die „Gesprächsgegnerin“ wird so zum echten Gesprächs-Partner/zur echten Gesprächspartnerin
Somit können Konflikte vermieden und gegebenenfalls gelöst werden.
Im privaten, sowie im beruflichen Kontext ist GFK ein hilfreiches Instrument, um unser Kommunikationsverhalten zu ändern, damit Konflikte vermieden werden können.
Organisationen, die keinen Wert darauf legen lösungsorientiert, wertschätzend, authentisch und klar zu kommunizieren, verlieren langfristig die Loyalität ihrer MitarbeiterInnen. Abwertende Kommunikation zerstört die notwendige Verbundenheit mit dem Unternehmen.
Ohne diese Verbundenheit und Loyalität können Unternehmensziele langfristig nicht erreicht werden.
Es erfordert den Willen und Training, um unsere alten Handlungs- und Gesprächsmuster zu verändern.
Eine Veränderung unseres Sprachverhaltens führt dazu, dass auch unser Erfahrungsgedächtnis dauerhaft verändert wird und automatische, emotionale Reaktionen bewusst unterbrochen werden können – durch Achtsamkeit mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen.
Veronika Naskau, MSc
Systemische Coach
www.sonnenseite.org
naskau@sonnenseite.org
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