Burnout-Prävention in Beratungsprozessen: Sackgasse oder der Stein der Weisen? | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
von Helga Prähauser-Bartl, DSA | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das Burnout-Syndrom wird nun seit mehr als dreißig Jahren beschrieben und beforscht. War zu Beginn der Blickwinkel mehr auf die Persönlichkeit der Betroffenen gerichtet, begann man bald die Arbeits- und Lebensumstände als Faktoren in die Ursachenforschung mit ein zu beziehen. Unzählige Untersuchungen belegen auch die umfassende Komplexität dieser Erscheinung, die heute von manchen auch schon als Symptom unserer Zeit bezeichnet wird. Burnout – womit haben wir es hier zu tun? Zumeist wird der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger als derjenige genannt, der den Begriff Burnout geprägt hat. In seinem Artikel Staff Burnout (Freudenberger 1974: 159-165) beschreibt Freudenberger 1974 erstmals den psychischen und physischen Abbau von MitarbeiterInnen in Hilfsorganisationen (Drogeneinrichtungen, Kriseninterventionsstationen,…). Freudenberger selbst definiert in einem späteren Werk Burnout so: „Burn-out ist ein Energieverschleiß, eine Erschöpfung aufgrund von Überforderung, die von innen oder von außen – durch Familie, Arbeit, Freunde, Liebhaber, Wertsysteme oder die Gesellschaft – kommen kann und einer Person Energie, Bewältigungsmechanismen und innere Kraft raubt. Burn-out ist ein Gefühlszustand, der begleitet ist von übermäßigem Stress, und der schließlich persönliche Motivationen, Einstellungen und Verhalten beeinträchtigt.“ (Freudenberger / North 1992: 27) Eine andere, aus jüngerer Zeit stammende Definition, die vor allem meinen persönlichen Beobachtungen bei SupervisandInnen entspricht, habe ich im SLP-Newsletter (Salzburger Landesverband für Psychotherapie) gefunden: „Burnout ist ein Zustand der emotionalen Erschöpfung durch ständige Überanstrengung und Überforderung der eigenen Kräfte. Das Gefühl, ausgelaugt und leer zu sein, beherrscht alles. Schon die einfachsten Tätigkeiten sind mühselig und anstrengend.“ (Wolf-Erharter 2006: 13)
Egal welche Beschreibung (denn beschreiben ist anscheinend in diesem Fall einfacher als definieren) man liest, gemeinsam haben alle, die Beobachtung eines Syndroms, das sich über längere Zeit aufbaut, in Phasen verläuft und bei Nicht-Beachtung bis zum völligen Zusammenbruch der Person führen kann. Stellenwert als wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand
1976 hat Maslach Burnout als wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand eingeführt. Das bekannteste Ergebnis ist ein Fragebogen, das Maslach Burnout Inventory (MBI). Dieses Instrument zur Selbsteinschätzung, legt in 22 Items den Grad des Ausmaßes bzw. der Gefährdung fest. Allerdings gibt es keinen Wert ab wann jemand demnach als ausgebrannt zu gelten hat und wann nicht! Die Abschnitte der Antworten umfassen emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und eigene Leistungseinschätzung - Übersetzung von Geldern und Schenke, 1985. (Fengler 1991: 104) Zahlreiche Untersuchungen zu Burnout stützen sich auf den MBI. Während sich die anfänglichen Untersuchungen und Definitionen, vor allem in Amerika, mit Menschen in helfenden Berufen beschäftigen (Maslach & Jackson; Aronson, Pines &Kafry), wird in Europa u.a. vom Burnout in Sport und Management gesprochen. Aber auch in Profit-Unternehmen wird das Phänomen Burnout wahrgenommen. Besonders interessant finde ich folgendes: „Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung hat am 29.11. 2004 anlässlich des Berliner WSI-Herbstforums eine Burnout - Warnung herausgegeben: In 90 Prozent aller Betriebe sind seit dem Jahr 2000 die psychischen Belastungen der Beschäftigten gestiegen. Rund ein Drittel melden vermehrte körperliche Belastungen. Das zeigt eine Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung unter mehreren Tausend Betriebs- und Personalräten. Gründe für den wachsenden Stress im Job: Stellenabbau, Arbeitsverdichtung, Zeitknappheit, steigende individuelle Verantwortung der Beschäftigten sowie schlechtes Führungsverhalten.“ (Dann 2004: Burn-out Blog) Ob nun Profit- oder Nonprofit-Unternehmen, Tatsache ist, dass Burnout als Untersuchungsgegenstand eine breite Aufmerksamkeit geniest und in allen Befragungen, die mit Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit zu tun haben bzw. welche die Risiko-, Belastungsfaktoren und Auswirkungen untersuchen, mittlerweile ein fester Bestandteil ist.
Einen Überblick über Untersuchungen und Ergebnisse findet man bei Gussone / Schiepek: „Schon vor zehn Jahren zählten Kleiber und Enzmann (1990) in einer internationalen Bibliographie insgesamt 2496 Publikationen, die sich in den Jahren 1969 bis 1989 mit Burnout beschäftigten. Die meisten Titel bezogen sich auf helfende Berufe (43%) sowie auf erziehende und lehrende Berufe (32%). Andere Professionen fielen daneben weniger ins Gewicht: Verwaltung und Management (9%), Justiz und Polizeiarbeit (4%), sonstige (12%).“ (Gussone & Schiepek 2000: 24) Bedeutung für die Praxis
Genug der Theorie! Was kann ich, als BeraterIn, für Schlüsse daraus ziehen? Sackgasse? Ist das, in Bezug auf Burnout-Prävention, genug? Mich persönlich hat ein Erlebnis vor einigen Jahren sehr betroffen gemacht - als ich einen Supervisionsprozess, wie vereinbart, nach einem Jahr abschloss und das Team als sehr reflektiert und im Bewusstsein, dass wir viele Ebenen und Positionen betrachtet und viel zum Thema Kommunikation gearbeitet hatten, verabschiedete. Nach einem halben Jahr erfuhr ich, dass eine der MitarbeiterInnen über eine Woche in stationärer Pflege verbringen musste – Diagnose: Burnout! Ich war sehr schockiert und überlegte, ob ich nicht irgendwelche Anzeichen übersehen hätte, erste Symptome oder die Rahmenbedingungen schlechter geworden waren - nichts deutete darauf hin. Was mir aber in meiner eigenen Reflexion auffiel, war die Tatsache, dass ich anscheinend glaubte, solange der Supervisionsprozess andauerte, hätte ich es bemerken und somit intervenieren können!? Ist also Burnout-Prävention nur durch permanente Supervision zu gewährleisten? Weiters fiel mir auf – dass wir zwar Burnout-Prävention in irgendeiner Form betrieben hatten, das Thema aber nicht benannt wurde. Auf sich zu schauen oder seinen Teil zu sehen - oder wie immer wir BeraterInnen, Dinge die fokussiert werden sollen, beschreiben - wir nennen sie manchmal nicht beim Namen! Wie so oft bei unangenehmen Dingen, haben viele Menschen die Meinung, dass es ohnehin nur den anderen passieren kann oder je weniger man darüber weiß, desto geringer ist die Gefahr es zu bekommen. Zwei Kleinigkeiten mit großer Wirkung. Solange der Beratungsprozess läuft, können wir möglicherweise reagieren und intervenieren. Wenn wir es aber verabsäumen Themen (in diesem Fall: Burnout-Prävention) zu benennen und was noch viel wichtiger ist, den SupervisandInnen Handwerkszeug zur Verfügung zu stellen, dann bleiben wir in dieser Sackgasse hängen. Dazu möchte ich Ihnen noch einige Zahlen aus der Befragung zu meiner Masterarbeit zeigen, die ich in Einrichtungen der Behindertenbetreuung in OÖ gemacht habe: - Wie oft haben Sie Supervision in den letzten 3 Jahren in Anspruch genommen?
- In welchem Setting haben Sie Supervision in Anspruch genommen? (Mehrfachnennungen)
- Wurde das Thema Burnout bzw. Burnout-Prävention in den Supervisionsprozessen angesprochen? (4%- keine Angabe)
- Was erleben Sie als entlastende Faktoren in Ihrer Arbeit / Beruf?
- Halten Sie Supervision grundsätzlich für ein hilfreiches Mittel zur Burnout-Prävention?
- Welches Setting halten Sie für besonders geeignet um über Burnout-Prävention zu sprechen?
Was bedeuten diese Zahlen? Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die SupervisandInnen gar nicht so überzeugt davon sind, dass Supervision und Coaching ein adäquates Mittel zur Burnout-Prävention ist, zumindest wissen sie, dass es nicht das Einzige ist! Bei den entlastenden Faktoren steht unangefochten die Freizeit / Hobbys an erster Stelle, was ja oft mit Bewegung und Sport gleichzusetzen ist. Beachtenswert finde ich auch die Tatsache, dass zwar 78% der Befragten regelmäßig Teamsupervision in Anspruch nehmen, aber 62% das Einzelsetting für besonders geeignet halten.
Grundsätzlich ist der Einsatz von Supervision als Mittel zur Burnout-Prävention unbestritten. In vielen Untersuchungen und der Literatur zum Thema Burnout wird darauf hingewiesen, dass Supervision eine „… Maßnahme gegen Ausbrennen und berufliche Deformation …“ ist. (Fengler 1991: 233) oder auch dass Supervision dazu Platz bietet, „…funktionale Strategien im Umgang mit Stress“ (Maslach 1978: 123) zu erarbeiten und einzuüben. Was kann ich als BeraterIn also tun, um die SupervisandInnen auf der Suche nach dem Stein der Weisen – oder vielleicht sind es ja auch mehrere Steine der Weisen – noch mehr / gezielter (als wir in den Beratungsprozessen schon tun) zu unterstützen?
Burnout-Prävention in Beratungsprozessen - Sackgasse oder Stein der Weisen? Beantworten Sie diese Frage selbst.
Falls ich als Beraterin Anzeichen und Gefährdungspotentiale nicht wahrnehme, wird möglicherweise reflektieren alleine zu wenig sein (was ja auch sein kann, wenn ich den Auftrag zur Burnout-Prävention nicht erhalten habe und mich auf andere Aufträge / Aufgaben konzentriere). Wenn ich die Wahrnehmung aber auch auf mögliche Symptome oder
- Freudenberger, Herbert (1974): Staff Burnout. Journal of Social Issues (30), Seite 159-165.
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